Was ist am Lügen eigentlich so schlimm? Nehmen wir einmal an, alle Menschen könnten Gedanken lesen, dann wüssten wir immer, ob jemand bewusst die Unwahrheit sagt. Er kann sich aber auch irren und sagt uns aus Versehen etwas Falsches. Selbst mit Telepathie könnten wir also nicht sicher sein, ob gerade gelogen wird. Mit dieser Unsicherheit müssen wir leben.
Hilfreich ist es, Lügen zu erkennen, dann geht man ihnen nicht auf den Leim. Das Sprichwort ist hier aussagekräftig: Wir bleiben an einer Lüge oft kleben und kommen von ihrem als wahr angenommenen Inhalt nicht mehr los. Wenn ein Märchen erst einmal in die Welt gesetzt und von unserem Verstand durchgewunken worden ist, tut das Loslassen weh. Wir müssen uns eingestehen, dass wir getäuscht worden sind. Das Vertrauen in die betreffende Person steht infrage. Aber auch – und das ist weitaus schlimmer – das Vertrauen in unsere eigene Wahrnehmung, in unsere Fähigkeit zu differenzieren, was richtig und was falsch ist. Das ist der tiefere Grund dafür, warum Lügen aus psychologischer Sicht problematisch ist.
Mir sind in den letzten Wochen zwei Situationen begegnet, die sich heute zu einem Beitrag verdichten. Ich will aufzeigen, wie manche Menschen die Aufrichtigkeit ihres Gegenübers testen. Und anhand welcher Kriterien man erahnen kann, dass eine Geschichte nicht stimmt – unabhängig von ihrem konkreten Inhalt.
Historische Betrachtungen zur Lüge
Oft können wir nicht beurteilen, ob etwas wahr ist oder nicht. Kein Mensch kennt sich in verschiedenen Fachbereichen in der Tiefe und Breite so aus, dass er in jeder Frage genau Bescheid weiß. Das ist normal. Wir sind keine Universalgenies. Und die Zeit dieser auf vielen Gebieten gebildeten und meist auch forschend tätigen Allround-Spezialisten war weitaus weniger komplex als die heutige. Es ist schlicht unmöglich, sich mit allem gleich gut auszukennen. Wir hantieren mit einer unüberschaubaren Anzahl von Naturwissenschaften und Geisteswissenschaften. Und diese wiederum sind zersplittert in tausend Fachgebiete, die ihrerseits über Jahrzehnte und Jahrhunderte ein immenses Wissen angesammelt haben. Die Entwicklung ist im Fluss, ständig kommen Erkenntnisse hinzu, ergänzen, erweitern oder aktualisieren die bisherigen Ansichten und werfen neue Fragen auf. Der Einzelne in seinem Alltag hat keine Chance, sich in allen Feldern auszukennen, geschweige denn auf dem Laufenden zu bleiben.
Ich glaub, mich tritt ein…
Aus früheren Epochen der Menschheitsgeschichte sind geflügelte Wörter überliefert, die zu betrachten ich immer wieder erhellend finde: „Erzähl mir nichts vom Pferd!“ ist eine Aufforderung, die wohl aus Zeiten des Pferdehandels rührt. Um ein Pferd bestmöglich zu verkaufen, hat man den Interessenten irgendwelche Geschichten aufgetischt, die im Zweifel gar nicht stimmten. Daher musste dem Hengst oder der Stute ins Maul gesehen werden, um zu erkunden, ob das Tier tatsächlich gesund und vital war – oder ob der Händler gelogen hatte. Im übertragenen Sinne stimmt der Ausdruck noch immer, daher hat er sich im Volksmund gehalten: Wir müssen den Dingen auf den Grund gehen, ins Innere blicken, um herauszufinden, ob die Wahrheit gerade wieder einem anderen Interesse weichen musste, zum Beispiel dem Bedürfnis nach Profitmaximierung. Geht es ums Geld, tritt die Aufrichtigkeit häufig in den Hintergrund. Hier ist Vorsicht berechtigt. Deshalb schaut man umgekehrt einem geschenkten Gaul nicht ins Maul. Viele andere Hindernisse können den Weg zur Wahrheit verbauen, offensichtliche und verborgene.
Lügen aufdecken: ein praktisches Beispiel
Vor einigen Wochen hatte ich eine ganz interessante Diskussion in meiner Praxis. Ein Patient berichtete, dass er Handwerker prinzipiell erst einmal nicht erzählt, dass er selbst „vom Fach“ ist. Er lässt sie zunächst in dem Glauben, sie hätten es mit einem Laien zu tun. Wenn sie dann versuchen, ihm etwas unterzujubeln, von dem er genau weiß, dass es Unsinn ist, hat er den Lügner durchschaut. Etwas bewusst zu verheimlichen, entspricht nicht meinen eigenen Gepflogenheiten. Vielleicht sollte es das aber. Zumindest in bestimmten Situationen. Denn dumm ist diese Vorgehensweise nicht. Hat sich jemand in einem Bereich, in welchem er sich auskennen sollte, als Schwätzer entpuppt, besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass er auch in anderen Zusammenhängen schwindelt, übertreibt, sich irreführend äußert oder zumindest auf den Putz haut. Für manche ist das ein Volkssport. Andere plustern ihr Ego damit auf. Und wieder andere können aus Perfektionismus oder aufgrund ihrer kulturellen Prägung eine Schwäche nicht zugeben. Gründe gibt es viele.
Ich persönlich habe in meinem Leben auch schon gelogen. Ganz bewusst und absichtlich. Obwohl Aufrichtigkeit in meiner Wertehirarchie sehr weit oben steht. Es gab wichtigeres: überleben. Wenn also ein wahrheitsliebender Mensch in die Lage gebracht werden kann, dass er entgegen seinem Gewissen lügt, dann müssen wir grundsätzlich damit rechnen, dass gelogen wird. Früher habe ich meine eigenen Werte als Beispiel angeführt, wenn ich in der Sprechstunde die Bedeutung von und den Umgang mit Werten thematisiert habe. Sie eignen sich hierfür aber gar nicht, wie ich mittlerweile weiß. Denn jeder behauptet sogleich, Aufrichtigkeit sei auch sein Wert. Schon. Aber der Platz auf der Rangliste ist unterschiedlich hoch. Werte können widersprüchlich sein und miteinander in Konflikt stehen. Menschen handeln nicht immer nach ihrem Gewissen. Und manche haben keins.
Lüge in Wahrheit verpackt
Anlass für diesen Artikel war ein Video-Beitrag, den mir eine Freundin weitergeleitet hat. Wir waren in einem Gespräch über die Bedeutung von Blutgruppen gestolpert und dazu hatte sie erst kürzlich ein Interview mit einer Hebamme gesehen. Vorausschicken will ich, dass ich den Berufsstand der Hebammen sehr achte. Mir ist bewusst, wie viel Unmenschlichkeit in Kreißsälen herrscht. Wie wichtig, die persönliche Betreuung für die werdenden Mütter ist. Wie viel Gesundheitswissen über Generationen in dieser Zunft weitergegeben wurde. Dass eine große Anzahl von Frauen über ihre Hebamme zur Naturheilkunde gefunden hat. Welchen Einfluss eine menschgerechte Geburt auf das ganze folgende Leben haben kann. Und umgekehrt, welchen Schaden man anrichtet, der dann oft Jahrzehnte später in einer Traumatherapie aufgearbeitet wird.
Das Video war aber so ein hervorragendes Beispiel dafür, wie man anhand der STRUKTUR und bestimmter MARKER erkennen kann, ob jemand Unsinn erzählt, dass ich es hier trotzdem anführen will.
Heiligt der Zweck die Mittel?
Ich bezweifle nicht die ehrenwerte Absicht der Sprecherin, um die es hier geht. Im Grunde bezweckte die Frau etwas Gutes: Sie möchte, dass die Umstände rund um die Geburt menschenwürdiger gestaltet werden. Damit stimme ich zu 100 % überein. Nicht aber mit einigen ihrer Aussagen. Mir geht es nicht darum, die Frau zu demontieren. Ich werde auch weder ihren Namen nennen noch das Video verlinken. Sie ist ja außerordentlich engagiert und erreicht mit ihrer wertvollen Arbeit bestimmt viel für die „Weiber“, wie sie die Frauen nennt.
Sie läuft mit Eifer los. Und das ist schon der erste Hinweis. Es gibt einen Unterschied zwischen Engagement und Eifer. Das glühende Verfechten von etwas, eine feurige Leidenschaft, der das Innehalten und die Bodenständigkeit fehlen, führt selten zu fundierten Aussagen. Anfangs war ich durchaus geneigt, der Dame zuzuhören. Der Interviewer hat immer mal wieder interessante Gäste, allerdings abonniere ich seinen Kanal nicht. Mir fehlt es häufig an Substanz. So auch hier.
In ihrem Metier mag die Hebamme top sein. Das kann ich gar nicht beurteilen. Aber dann kamen ein paar Äußerungen, die mich stutzig machten. Und diese will ich mit Ihnen genauer beleuchten. Nicht, um den Sachverhalt zu klären. Sondern um Ihnen deutlich zu machen, wie man hinschaut.
Wie Lügen verschleiert werden
Der ersten Fehler, den ich selbst immer wieder mache, ist ein Video komplett abzuspielen. Ohne zwischendrin ein paar Mal zu stoppen und mich zu fragen, was ich da eigentlich gerade gehört und gesehen habe. Der Informationsgehalt überflutet einen förmlich. Nun weiß ich, dass meine Auffassungsgabe überdurchschnittlich rasch ist. Trotzdem konnte ich dem helikopterartigen Flug der Sprecherin kaum folgen.
Sie schnitt mindestens ein halbes Dutzend Randthemen kurz an, betonte immer wieder, man müsse die Dinge von einem höheren Standpunkt aus betrachten, blieb aber kryptisch. Was soll denn das? Da fehlt mir etwas mehr „Fleisch am Knochen“. Solche Teaser oder Spoiler kann ich gar nicht leiden. Bitte beim Hauptthema bleiben und das ausführlich besprechen, statt bei vielen Randthemen an der Oberfläche zu kratzen und dabei auch noch zu erklären, man müsse den Dingen auf den Grund gehen. Was hier auffällt: Sie erfüllt ihren eigenen Anspruch nicht. Das ist für mich ein weiterer Hinweis.
Okkultes Schein-Wissen
Dann erzählt die Hebamme etwas über die Struktur von Eisen. Das Eisen, wie es im menschlichen Blut enthalten sei, käme in unserer Umwelt so gar nicht vor. Sie deutet an, wir kämen von einem anderen Planeten. Mag sein. Dass Eiseninfusionen eine knifflige Sache sind, habe ich erfahren. Wenn wir aber aus der Natur eisenhaltige Pflanzen essen, dann kommt dieses Eisen auf jeden Fall auf der Erde vor. Oder stammen die Pflanzen ebenfalls aus einer anderen Galaxis? Und wenn das so wäre, welche praktische Konsequenz hätte das?
Über das Thema wird so rasch hinweggehoppelt, dass ich gar nicht dazu komme, meine Fragen innerlich auszuformulieren. Und so geht es dem Interviewer auch. Die Frau überrennt ihn praktisch und springt dabei von einem Thema zum nächsten. Wie ein Schuljunge kann der Mann nur staunend daneben stehen und andächtig lauschen, welche Weisheiten sie von sich gibt. Zum Fragenstellen kommt er kaum. Sie streift gezielt ein paar Themen der Eso- oder Spiri-Szene und erhöht damit die Aufmerksamkeit. Man muss schon einiges vorher gehört haben um zu ahnen, worauf sie sich bezieht und was sie andeuten will. Die Frau orakelt.
Eigene Expertise
Als es endlich um die Blutgruppen geht, behauptet die Dame, Blutgruppe 0 entstünde aus sich selbst heraus. Auch wenn die Eltern A oder B hätten. Und an dieser Stelle setzt meine Expertise ein. Da ich seit vielen Jahren die Elemente für meine Patienten auswerte, lasse ich im Labor bei A und B analysieren, ob es sich um AA oder A0 bzw. BB oder B0 handelt. Das wird in den üblichen Auswertungen nicht ermittelt. Wenn also ein Elternteil A0 hat, steht in seinen Unterlagen nur „A“ und wenn das andere Elternteil B0 hatte, ist „B“ dokumentiert. Ziel der Blutgruppenermittlung ist ja herauszufinden, ob jemand als Spender geeignet ist bzw. welche Blutkonserven er im Notfall empfangen darf, ohne dass Komplikationen zu erwarten sind. Da bei AA das zweite A keinen Unterschied macht und bei A0 der 0-Anteil weder für Spender noch für Empfänger problematisch ist, erfüllt diese Analyse ihren Zweck. Mit weiteren Untersuchungen kann man den vollständigen Genotyp aber durchaus feststellen. Das weiß die Hebamme scheinbar nicht. Muss sie ja auch nicht. Dann darf sie aber nichts Halbgares dazu von sich geben. Falls beide Eltern einen 0-Anteil vererben, hat das Kind Blutgruppe 0. Sie ist aber nicht „aus sich selbst heraus entstanden“. So ein Unsinn!
Behauptungen im ‚Tal der Ahnungslosen‘
Von wie vielen Menschen aus Ihrem Umfeld kennen Sie die Blutgruppe? Wenn Ihnen nun jemand erzählt, Blutgruppe 0 Rhesusfaktor negativ seien die Rothaarigen oder Blonden mit blauen Augen, müssen Sie das erst einmal hinnehmen. Ich nicht. Seit 17 Jahren lasse ich die Blutgruppe meiner Patienten regelmäßig ermitteln und kann diese Aussage nicht bestätigen. Mein Mann hat BG0neg. Er spottet der Beschreibung mit seinen braunen Augen und dunklen Haaren. Die Interview-Partnerin wird immer unglaubwürdiger. Sie spricht von den Ur-Germanen und bezieht Schotten und Isländer ebenso ein wie Menschen aus Nordafrika. Dabei versucht sie einen Zusammenhang herzustellen zwischen den körperlichen Merkmalen und der Geisteshaltung. Noch abstruser wird es, als sie ihnen das Freidenken und die Hellsichtigkeit zuordnen will. An dieser Stelle steige ich aus.
Vermutlich hat sie selbst diese Blutgruppe und stellt sich gerade auf ein Podest. Nein, weder diese Frau noch irgendwer anders ist aufgrund seiner Blutgruppe anderen überlegen. Und erst gar nicht in seinem Bewusstseinsprozess. Wie wir hier anschaulich beobachten dürfen. Sie schrappt gefährlich nah an den Prinzipien der Eugenik entlang. Ich kenne Menschen aller Blutgruppen, die Freigeister sind. Und auch die Anbindung an die geistige Welt (Feinsinn in der Wahrnehmung in all seinen Abstufungen und Erscheinungsformen) ist weder auf spezielle Blutgruppen noch auf andere konstitutionelle Faktoren beschränkt. In der Tat habe ich selbst schon versucht, Zusammenhänge herzustellen und dafür systematisch eine große Datenmenge ausgewertet – ohne Resultat. So einfach ist es nicht. Leider. Oder Gott sei Dank!
Man stelle sich nur vor, eine Person dürfte darüber entscheiden, wie wertvoll ein Mensch ist. Wenn sie in denselben Kategorien derer denkt, die sie angeblich verabscheut.
Fragwürdige Quellen
„Blutgruppe AB gibt es erst seit 250 Jahren.“ Woher will sie das wissen? Mit welchen Labor-Analysen wurden 1774 derartige Blutwerte ermittelt? Möchte jemand mal in der Medizingeschichte nachforschen? Na, klar: Die geschichtlichen Dokumente können gefälscht und das ganze „Wissen“ kann in Wahrheit Lüge sein. Doch auch ihre Aussage ist weder belegbar noch widerlegbar. Oder bevorratet jemand über 250 Jahre lang einen Berg von Leichen, die nun mit moderner Technik analysiert werden? Wie wahrscheinlich ist das? Mit welcher Konservierung und wo und durch wen soll das geschehen sein? Und wie kann man wissen, aus welcher Zeit die Toten oder ihre Gewebeproben stammen? Gibt es das Blutgruppensystem schon lange bevor es laut Geschichtsschreibung zu Beginn des 20. Jahrhunderts von einem Wiener Arzt erfunden worden ist? Über solche Dinge Klarheit gewinnen zu wollen, ist sinnlos.
Wozu dient überhaupt die Aussage an dieser Stelle? Wem nützt dieser Einwurf? Was ändert sich für heute, wenn die Blutgruppe AB vor 250, 2.500 oder 2,5 Mio Jahren entstanden ist? Dieses Puzzlestück ohne weitere Einbindung in einen Gesamtzusammenhang verwirrt den Zuschauer. Für weniger kritische Zuhörer scheint das Nennen eines Datums als handfester Beleg dafür, wie detailliert das exklusive Geheimwissen der Frau ist. Je präziser Daten angegeben sind, wir wir bei genauer Betrachtung eigentlich gar nicht wissen können, desto lauter schrillt mein Alarm.
Kleiner Exkurs Datierung
Mir sind alle „Beweise“ suspekt, die angebliche belegen, dass irgendetwas soundsoalt sein soll, falls die Datierung weit in die Vergangenheit reicht. Worauf beziehen sich die Referenzwerte für die Bestimmung eines Alters in einer Zeit, die niemand von uns erlebt hat? Keine der Methoden ist an der erlebten Realität gemessen oder geeicht. Radiocarbon? Woher wollen wir wissen, dass die Zuordnungen zu Epochen weit vor unseren tatsächlich stimmen? Weil irgendwer irgendetwas bereits in die damalige Zeit datiert hat? Aufgrund welcher Methoden? Und woran bemisst sich wiederum deren Realitätswert? Das Richtmaß jeder Uhr ist eine andere Uhr.
Mir wird ganz schwindelig, wenn ich darüber nachdenke. Wir hätten gerne Gewissheit. Aber wir haben sie nicht. Damit müssen wir umgehen.
Apokalypse im Anmarsch
Ganz aus dem Rennen der Plausibilität war das Interview für mich, als die Frau am Ende behauptet, wir seien „die letzte Generation“, die etwas bewirken könne. Nein, das sind wir nicht. Als junge Frau habe ich dasselbe über das Waldsterben, über Tschernobyl und über andere direkt bevorstehende Katastrophen gedacht. Heute tragen die Klima-Jünger die Apokalypse vor sich her. Nehmen Sie das als Richtschnur: Wenn Ihnen jemand Angst machen oder Schuld einreden will und wenn die Zukunft der Menschheit auf dem Spiel steht, insbesondere, wenn er dabei Zeitdruck aufbaut, dann ist er ein falscher Prophet.
Die Quintessenz
Wie prüfen wir also, ob so ein Beitrag wahr ist? Der Prozess hat mehrere Stufen und Dimensionen. Nicht immer werden sie alle Informationen haben, um die Kriterien zu checken.
- Betrachten Sie den Rahmen, in dem ein Beitrag erscheint. Welche Erfahrungen haben Sie selbst in diesem Umfeld gesammelt? Dienen diese Ihrem Vertrauen?
- Vergleichen Sie den Inhalt einer Aussage mit der beobachteten Verhaltensweise des Sprechers: Wird da jemand seinen eigenen Ansprüchen gerecht? Oder erzählt er das eine und tut das andere? Teilt er möglicherweise sogar Grundhaltungen und Sichtweisen mit seinen Widersachern, die Sie gar nicht gut heißen können?
- Sind seine Aussagen verständlich formuliert, bleibt jemand bei der Sache, erkennt man einen Roten Faden? Oder packt er die Nebelmaschine aus und stiftet mehr Verwirrung als Klarheit?
- Bemerken Sie Abweichungen von Ihrem eigenen Expertenwissen. Wenn Ihnen jemand hier offenkundig Unfug erzählt, wie wahrscheinlich ist es, dass er an anderer Stelle wahrhaftig unterwegs ist? Hinterfragen Sie immer auch Ihr eigenes Wissen. Aber geben Sie Ihre über Jahre erworbene fachlich fundierte und praktisch erprobte Sicherheit nicht auf, weil halbseidene Hobby-Experten etwas anderes behaupten.
- Bleiben Sie wachsam, wenn jemand angeblich Daten haben will, die gar nicht möglich sind zu erheben. Kann es überhaupt sein, dass man darüber Kenntnis hat? Mein Lieblingsbeispiel habe ich von Prof. Bosbach („Die Zahlentrickser“): Wie mag man wohl die Dunkelziffer bei den Schwarzfahrern ermittelt haben?
- Und entwickeln Sie einen Radar für Angst und Schuldgefühle in Kombination mit Zeitdruck. Wenn Sie das feststellen, empfehle ich: Abschalten. Es sei denn, sie nutzen das Fundstück, um die Anatomie der Lüge am lebenden Beispiel zu studieren.
Den eigenen Werten folgen
Der Tag des Jüngsten Gerichts nach der Apokalypse, den einige Glaubensrichtungen mit einer Mischung aus erwarteter Glückseligkeit und Furcht entgegensehen– tja, wer weiß: Vielleicht kommt er tatsächlich. Wissen kann das niemand. Meine spirituelle Weltsicht beinhaltet, dass wir selbst unser „Richter“ sind. Wir beurteilen, ob wir uns an unsere eigenen Werte halten, und zwar jeden Tag. Das Gewissen ist unser Kompass.
Lassen Sie uns gleichzeitig gnädig, aber nicht nachlässig mit unseren persönlichen Wertvorstellungen und Idealen umgehen. Damit wir am Ende annähernd der Mensch geworden sind, der wir sein wollten.
Text: Petra Weiß
Bild: Diana / pexels.com
Zum Weiterlesen:
Beitrag „Die 180-Grad-Lüge“
Rubrik „Manipulative Muster erkennen„
Nachklang
Nachdem ich den Beitrag veröffentlicht habe, denke ich darüber nach, wieso die Frau zu solchen Mitteln gegriffen hat. Meiner Meinung nach hat ihr ehrenwertes Anliegen das gar nicht nötig. Womöglich drängt uns die allgegenwärtige Informationsüberflutung zu derlei Maßnahmen, um aus der Masse hervorzustechen. Gewiss verfolgt sie keine böse Absicht. Genauso wenig wie ich mit meiner Analyse. Mit dem Anspruch, ein bisschen mehr Aufrichtigkeit in die Welt zu bringen, habe ich den Text verfasst. Dafür zahle ich den Preis, jemanden kritisiert zu haben, der es vermutlich nur gut gemeint hat. Aber: Wie ein Sprichwort so schön sagt „Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.“ Wir opfern nicht die Wahrheit für ein hehres Ziel. Es sei denn, dieses steht in der Wertehirarchie (zu Recht) noch weiter oben. Wie zum Beispiel das Leben. Und dann auch nur, wenn es unbedingt sein muss, als Ergebnis einer bewussten Entscheidung.
Mir hat die Beschäftigung mit dem Beitrag ein vertieftes Wissen über eine Behandlung gebracht, deren Sinnhaftigkeit ich schon seit Jahren in Zweifel ziehe: die „Impfung“ von rhesusnegativen Schwangeren, wenn der Kindsvater rhesuspositiv ist. Damit will man Komplikationen durch Abstoßungsreaktionen seitens der Mutter vermeiden. Was mich gewundert hat: Wieso sollte die Natur so eine Problematik ins Kinderkriegen eingebaut haben, die dem Leben offensichtlich nicht dient? Und Vorsicht bitte mit Sichtweisen, die irgendeine Form der Rassenreinheit als Grund angeben. In der Schöpfung ist Vielfalt ein Grundprinzip.
Selbst Wikipedia gibt zu, dass eine erhöhte Gefahr in diesem Zusammenhang nur bei invasiven Untersuchungen und Behandlungen bzw. bei Schwangerschaftsabbrüchen besteht.
Ganz nebenbei habe ich dort erfahren, dass die Infektiösität bei einer bestimmten Viruserkrankung und die schwere des Verlaufs laut Studien bei Menschen mit Blutgruppe 0 geringer ausfällt als bei anderen Blutgruppen. Wussten Sie das? Ich auch nicht. Aber es erscheint mir plausibel. Aus meiner Praxis und in meinem privaten Umfeld beobachte ich die körperliche Robustheit von Blutgruppe 0. Hausärzte mit jahrzehntelanger Erfahrung, die ich persönlich kenne und denen ich vertraue, bestätigen das.
Der Wert eigener Beobachtungen und persönlicher Erfahrungen, daraus resultierender Erkenntnisse und Einsichten, wurde mir einmal mehr bewusst. Wenn die Menschen sich darauf besinnen würden zu differenzieren, was sie aus eigenem Erleben wissen und beurteilen können, und was sie sich angelesen haben, wäre allen gedient. Und niemand müsste das Vertrauen in die eigene Urteilsfähigkeit oder Wahrnehmung verlieren, falls sich eine These als falsch herausstellt.