Ganzheitsmedizin

Vertreter der Ganzheitsmedizin sagen: Körper, Seele und Geist stehen in ständiger Wechselwirkung. Warum ist das möglicherweise für Ihre Psychotherapie wichtig?

In der psychosomatischen Medizin ist schon angekommen, dass Leiden im Gemüt Auswirkungen auf den physischen Leib haben können. Daher ist es oft hilfreich, sich ums Seelenleben zu kümmern, um hartnäckigen Beschwerden zu Leibe zu rücken. Umgekehrt beeinflussen körperliche Aspekte die seelische Gesundheit.

Als Beispiel will ich hier Zustände anführen, die mit der Diagnose „Depression“ in meiner Praxis landen. Der Zusammenhang zwischen Körper, Seele und Geist ist deutlich z.B. bei einer Schilddrüsen-Unterfunktion (Hypothyreose). Sie weist in den psychischen Symptomen große Überschneidungen mit einer depressiven Verstimmung oder sogar mit einem Burnout auf. Gleichzeitig gibt es körperliche Erscheinungen, die einen Verdacht erregen und weitere Untersuchungen auslösen sollten. Was sie aber nicht immer tun.

Es ist wichtig, eine klare und richtige Diagnose zu stellen, denn bei einer Hypothyreose erreicht man mit Antidepressiva und Psychotherapie keine Verbesserung. Dann braucht die Schilddrüse Unterstützung. Laborwerte geben Aufschluss über die Lage. Man muss nur auf die Idee kommen, sie zu veranlassen und die Ergebnisse zutreffend interpretieren. Ob man das Organ naturheilkundlich in seiner gesunden Funktion fördern kann oder ob der Hausarzt Schilddrüsen-Hormone verordnen muss, hängt vom Leidensdruck und von der Regulationsfähigkeit des Organismus ab.

Bleiben wir beim Beispiel einer Depression, kommen auch Mangelzustände als Auslöser oder Heilungsblockaden in Betracht. „Der übliche Verdächtige“ ist Vitamin D. Daher stellt man den Vitamin-Status im Blut fest. Selbst wenn er noch in der Norm liegt, kann sich ein Versuch sehr lohnen, das Sonnenvitamin aufzufüllen. Ein ausreichend hoher Spiegel ist Voraussetzung für ein gut funktionierendes Hormonsystem. Und das wiederum hat großen Einfluss auf die Stimmung. Nebenbei verschwinden während der Vitamin-D-Substituion oft überhöhte Cholesterin-Werte. Das hängt damit zusammen, dass dieser Grundbaustoff der Hormone dann nicht mehr ungenutzt im Blut herumdümpelt.

Ursache von Müdigkeit und Antriebslosigkeit kann zudem eine Funktionsbeeinträchtigung der Leber sein. Erfahrungsheilkundige sprechen von einer „Leber-Depression“. Wieder geben Laborwerte Aufschluss über die Verfassung des Organs. Wenn die Leber schwächelt, ist es außerordentlich wichtig, Schadstoffe zu reduzieren, um das Entgiftungsorgan gezielt zu entlasten. Pflanzliche Medikamente helfen der Leber wieder auf die Beine und fördern gleichzeitig die Willensstärke der Patienten. Bei Leberschäden braucht der Mensch eine engere Begleitung und mehr Zuspruch als bei anderen Erkrankungen. Der Therapeut stellt ihm so einen Teil seiner Umsetzungskraft zur Verfügung bis er das selbst wieder leisten kann. Die gute Nachricht ist nämlich: Die Leber ist das regerationsfreudigste Organ überhaupt.

Mangelnder Antrieb und Kraftlosigkeit können außerdem mit dem Eisenspiegel im Blut zusammenhängen. Dann zeigen sich oft noch andere typische Merkmale. In diesem Fall untersucht man den Eisenwert und das entsprechende Transportprotein. Ohne dieses gelangt das Eisen nicht in die Zellen. Bei der Substitution ist Fingerspitzengefühl gefragt. Im Fall eines konstitutionellen ERD-Mangels darf man großzügiger mit dem Metall umgehen. Besteht hingegen ein ERD-Überschuss, dient der Eisenmangel möglicherweise als Ausgleich. Dann muss der Patient erst anderswo ERD-Element loslassen (z.B. Verpflichtungen abgeben), damit er die Tabletten oder Infusionen ohne Nebenwirkungen erhalten kann.

Differenzialdiagnosen zwischen verschiedenen psychischen Störungen sollte jeder Psychotherapeut im Blick haben. Gleichzeitig hat freilich jeder seine Spezialgebiete, in denen er sich besonders gut auskennt. Ich beschäftige mich seit 2010 mit Traumatherapie. Daher richtet sich mein Augenmerk immer auch auf solche Ursachen. Manchmal gehen depressionsartige Beschwerden auf traumatische Erlebnisse zurück, an die der Patient sich nicht erinnert oder die er als nicht relevant einschätzt. Oder sie treten mit derart großem zeitlichen Abstand auf, dass niemand einen Zusammenhang sieht. Oder bestimmte Kriterien einer Posttraumatischen Belastungsstörung sind nicht erfüllt. In der Ausbildung begleitete mich das geflügelte Wort „Die Krankheit hat das Lehrbuch nicht gelesen“. Auch damit muss man rechnen.

Berücksichtigt man die häusliche, familiäre und berufliche Situation kommen äußere Umstände als Ursachen für die gebremste Lebensfreude in Betracht. Dann wollen kreative Problemlösungen angeregt, Entscheidungen getroffen und Veränderungen umgesetzt werden.

Das Beispiel ist nicht allumfassend. Es soll Ihnen nur einen ersten Eindruck davon vermitteln, wie facettenreich eine umsichtige Betrachtung der Gesamtsituation sein kann und manchmal muss.