Nein ist ein kompletter Satz: Grenzsetzung ganz praktisch

Heilpraktiker Weinheim Petra Weiß Psychotherapie

So, da ist er also: Mein Beitrag zum Grenzsetzen für Einsteiger und Fortgeschrittene. Zuvor haben wir uns intensiv mit den Fragen beschäftigt, welche Menschen-Typen zum Verletzen von Grenzen neigen, welche immer wieder Opfer solcher Grenzüberschreitungen werden und warum. Heute soll es also ganz praktisch darum gehen, was uns davor bewahrt, unsere eigenen und die Grenzen anderer zu überschreiten bzw. wie wir Grenzen setzen und auf deren Einhaltung bei Bedarf pochen. Ganz schön viel Stoff für einen Beitrag. Mir schwant, dass das ein längerer Artikel werden wird…

Hilfreiche Einsichten für die Täter

Den Grenzüberschreitern dient manchmal schon der einfache Hinweis darauf, dass der Zweck niemals die Mittel heiligt. Nicht die gute Absicht macht eine schlechte Tat plötzlich gut. Fremdgehen, um die Ehe zu retten? Nein. Und nochmals nein.

Untersuchungen in Gefängnissen zeigen: Jeder Täter hat eine Rechtfertigung für seine Tat, egal wie abscheulich sie gewesen ist. Wir Menschen nutzen diesen Kunstgriff der Psyche oft, um mit unseren Verfehlungen leben zu können. Umso unmenschlicher eine Tat ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass zu ihrer Rechtfertigung hehre Werte herangezogen werden. Niemand quält Unschuldige, weil er ein Sadist ist – außer die Psychopathen – sondern weil er sich auf der Seite der Gerechten wähnt. Weil er einen monströsen Feind bekämpfen muss. Weil er wohlklingende Ideale verteidigt. Moralischer Narzissmus ist aus meiner Warte eine der gruseligsten Geiseln unserer Zeit.

„Der Weg zur Hölle ist mit guten Absichten gepflastert“, lautet ein Sprichwort. Unsägliche Grausamkeiten sind im Namen der Demokratie, der Freiheit, der Solidarität, der Sicherheit, der Gesundheit etc. verübt worden, oder noch heldenhafter: um die Welt zu retten. Und wissen Sie was? Die Täter haben ein reines Gewissen! Sie fühlen sich moralisch überlegen. Na, klar: Irgendwie muss man ja begründen, was eigentlich nicht zu rechtfertigen ist. Sonst fressen einen die Schuldgefühle auf. Und so bleibt man lieber in seiner „Ich darf das“ Haltung, ohne Reue und ohne eine Chance auf Wiedergutmachung für die Opfer. Gewiss fallen Ihnen Beispiele aus Ihrem eigenen Umfeld oder aus der jüngeren Geschichte dazu ein.

Von Kant bis Orwell

Die zweite Hilfe, um zurück in ein ethisch vertretbares Verhalten zu finden, statt sich in Moralismus zu aalen, ist der Kant’sche Imperativ in seiner volkstümlichen Fassung: „Was Du nicht willst, das man Dir tut, das füg auch keinem anderen zu.“ Punkt. Nein, es gibt kein zweites Maßband für die Guten. Was für die anderen gilt, gilt auch für einen selbst. Diese Einsicht kann man von krankhaften Narzissten freilich nicht erwarten. Ihr Selbstbild ist bestimmt von der eigenen Überlegenheit und dem Anspruch auf Sonderbehandlung. Allen anderen darf man diese Sichtweise durchaus zumuten. Das heißt nicht, dass Sie Ihre Werte jemand anders aufdrücken dürfen. Sondern, dass dessen Werte nicht nur in seiner Bewertung der anderen, sondern auch für ihn selbst gelten und entsprechenden Ausdruck in seinem Verhalten finden dürfen.

Sicher kennen Sie beeindruckende Fälle von Doppelmoral aus dem Fernsehen. Da beschwört jemand den Frieden und macht Krieg. Jemand vertritt die Meinungsfreiheit und übt Zensur. Am Absurdesten ist es, wenn jemand in Orwell’scher Manier die Wahrheit ins Gegenteil verdreht. Zu diesem Phänomen habe ich an anderer Stelle ausführlich geschrieben. Hier sei noch einmal erwähnt, dass wir von Natur aus für dreiste 180 Grad Lügen leider blind sind.

Der Kant’sche Imperativ ist eine kognitive Angelegenheit. Durch vernünftige Überlegung soll Einsicht erzeugt werden. Das ist gut. Um nachhaltige Veränderungen im Verhalten zu bewirken, ist außerdem das Mitgefühl hilfreich. Und da sind wir bei einem heiklen Punkt. Während Sie und ich dank unserer gut trainierten Spiegelneuronen ganz spontan die Empfindungen unserer Mitmenschen miterleben, ihren Kummer, ihre Freude, ihre Angst und ihre Wut, gibt es Menschen, die das beim besten Willen – der meist fehlt – nicht können.

1 % Menschen mit schwerer Psychopathie und weitere 3,8 % mit einer Narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben gar nicht oder nur sehr begrenzt Zugriff auf diese Fähigkeit. Psychopathen erfahren keine Reue, keine Schuldgefühle, keine Gewissensbisse, die sie an ihrem schlechten Tun hindern. Sie machen einfach, was ihnen Vorteile verschafft. Und weil sie selbst unter fiesem Verhalten ihrer Mitmenschen emotional nicht leiden, können sie natürlich auch nicht nachempfinden, warum sich der andere so anstellt oder verletzt ist. Narzissten hingegen sind selbst ganz schnell beleidigt und eingeschnappt, sprechen das Recht auf Verletztsein allen anderen aber ab.

Wenn Sie also Ihre gesunde Empathie zur Verfügung haben, lassen Sie sich darauf ein. Fragen Sie Ihr Gegenüber, wie es sich fühlt nach Ihrer versehentlichen Grenzverletzung. Signalisieren Sie Verständnis und Mitgefühl. Und versichern Sie, dass Sie in Zukunft achtsamer mit seinen Grenzen umgehen wollen. Ermutigen Sie ihn, seine Bedürfnisse klar zu äußern und auch einmal Nein zu sagen, ohne dass das gleich Ihre Beziehung gefährden muss. Ja,wir alle dürfen uns den anderen zumuten mit unseren Befindlichkeiten. Selbstredend lassen Sie sich nicht von den überzogenen Ansprüchen von seelisch eingeschränkten Menschen tyrannisieren. Wägen Sie ab, wo Sie jemandem aufgrund seiner Erkrankung oder Störung entgegenkommen wollen und können. Und geben Sie sich dabei bloß nicht auf! Sie sind nicht Mutter Theresa. Bleiben Sie mit sich und Ihren Bedürfnissen verbunden. Auch wenn es schwerfällt.

Achtsam Grenzen wahrnehmen

Einfache Achtsamkeitsübungen helfen Ihnen dabei, mehr im Hier und Jetzt zu sein, sich wieder in Ihrem Körper zu verankern und das Gedankenkarussell zu stoppen. Das ist also der erste Tipp in Sachen Grenzsetzung. Halten Sie inne. Spüren Sie Ihren Körper – ohne etwas ändern zu wollen, ohne die Empfindungen zu bewerten -, nehmen Sie sich einfach wahr. Unsere körperliche Grenze ist die äußere Haut. Berühren Sie sie bewusst.

Legen Sie beispielsweise die rechte Hand in die linke. Lassen Sie sich Zeit. Können Sie die Berührung wahrnehmen? Was genau nehmen Sie wahr? Den Druck, die Wärme, vielleicht die Feuchtigkeit oder Rauheit? Verändert sich die Wahrnehmung? Spüren Sie zunächst in die rechte Hand hinein. Was erleben Sie dort? Diese Übungen sind wie Bauchmuskeltraining – Ausdauer und Geduld lohnen sich. Danach spüren Sie in die linke Hand hinein. Wie ist Ihr Erleben dort? Wo spüren Sie die Berührung am deutlichsten? Gehen Sie mit Ihrer Wahrnehmung zu diesem Punkt oder Bereich und dann zurück zu einem anderen, der nicht ganz so deutlich wahrnehmbar ist. Schwenken Sie den Fokus Ihrer Aufmerksamkeit mehrmals zwischen beiden hin und her. Was verändert sich?

Die Übung hat keinen „idealen“ Verlauf. Ihr Zweck ist die Wahrnehmung. Es gibt kein Richtig oder Falsch. Wenn Sie bei der Übung mit Emotionen in Kontakt kommen, wundern Sie sich bitte nicht. In der Regel sind auch die unangenehmen Emotionen flüchtig und verschwinden genauso rasch wie sie gekommen sind. Sollten Sie in einer Emotion länger steckenbleiben, ist psychologische Unterstützung dienlich, um in Zukunft die gesamte Spannbreite Ihrer Seele ausschöpfen zu können. Nach Trauma kann das schwierig sein und einige Übung unter fachmännischer Anleitung erfordern. Die gute Nachricht ist: Wenn wir unsere als negativ bewerteten Emotionen besser balancieren können, haben wir auch Zugriff auf eine neue Tiefe unserer positiv erlebten Emotionen.

Die Haut als Grenzorgan

Meine Patienten empfehle ich gerne, sich auf spielerische Weise und freudvoll im Alltag mit ihrer Körpergrenze zu befassen. Beispielsweise kann man sich beim Duschen bewusst einschäumen oder danach bewusst abtrocknen. Eine angenehm duftende Bodylotion oder ein schönes Körperöl unterstützen den Prozess. Die bewusste Körperpflege kostet Sie gar nicht mehr Zeit, sondern nur mehr Achtsamkeit als sonst. Finden Sie einen Ihnen gemäßen Einstieg. Für manche ist es zu viel, gleich ihren ganzen Körper bewusst zu spüren. Speziell nach Gewalterfahrungen kann das Erlebnis überfordernd sein. Dann können Sie damit starten, sich Ihre Füßchen einzucremen. Oder nacheinander die Finger zu halten. Um Ihr Bewusstsein zu lenken, denken Sie dabei „Das ist mein Daumen. Er ist ein Teil meines Körpers, des großen Ganzen. Der Daumen gehört zu mir.“ Wechseln Sie dann und halten Sie den Zeigefinger mit einem entsprechend angepassten Text. Und so weiter mit den anderen Fingern.

Die nächste Schicht, mit der wir der Außenwelt begegnen, ist unsere Kleidung. Beschäftigen Sie sich mit den physiologischen und psychologischen Effekten von Farben. Wir wählen hier jeden Tag Frequenzen, die auf uns selbst und auf unsere Umwelt wirken. Seit fast 20 Jahren begleitet mich das 4-Elemente-Denkmodell. Mit dem Begründer der Modernen 4 Elemente-Medizin, Dr. Peter Vill, hatte ich anfänglich eine Debatte, ob man seine fehlenden Elemente durch die Kleidung kompensieren soll. Sehr zu recht hat er darauf hingewiesen, dass man dann zwar einen Ausgleich erzeugt – aber mit Nebenwirkungen: Wenn mir z.B. Wasser fehlt und ich zum Füllen meines WASSER-Elements in verwaschenem Blau Ton in Ton auftrete, erwecke ich beim ersten Anblick den Eindruck einer wässrigen Frau. Das erzeugt falsche Erwartungen und kann zu Irritationen führen.

Gut geerdet Grenzen wahren

In Elementen gedacht, gehört Grenzsetzung zur ERDE. Eine erdige Erscheinung kann auf unterschiedliche Weise gestalte werden: Die Farben Schwarz und Grau, Brauntöne oder Grün gelten als erdig. Kontraste unterstützen das ERD-Element. Bodenständige Mode wie der Jeans-Typ einerseits und der klassische Stil anderseits, aber auch traditionelle Anmutungen wie Trachten oder Country-Stile von Western bis zum britischen Landadel bringen ERDung mit. ERD-verbundene Muster sind geometrisch – vom Nadelstreifenanzug über das Tüchlein im Krawattenmuster mit Rapport bis zum karierten Holzfällerhemd. Sie sehen, für viele Geschmäcker ist etwas dabei. Niemand muss sich verkleiden oder tragen, was er nicht mag.

Abneigungen gegen die Eigenfarben sind vor diesem Hintergrund besonders interessant. Vergleichbar auf der Körperebene sind Antikörper gegen körpereigenes Gewebe, sogenannte Autoimmunerkrankungen wie Rheuma, Hashimoto, Diabetes Typ 1, Lupus, Pemphigus etc. Wenn das Immunsystem die Abwehr gegen den eigenen Körper hochfährt, ist offensichtlich die Freund-Feind-Kennung gestört. Man lehnt aufgrund der Verwechslung sich selbst ab. Das Phänomen schreit natürlich nach Heilung. In der Tat sind Autoimmunpatienten auffällig oft von der Grenzsetzungsproblematik betroffen. Eine gute naturheilkundliche Antwort ist daher die Eigenbluttherapie: Der Körper bekommt kleine Dosen von sich selbst verabreicht (eine winzige Menge Blut wird entnommen und gleich wieder injiziert) und lernt, sie als eigen zu erkennen.

Hauterkrankungen sind häufig Folge einer gestörten ERDE-LUFT-Achse. Entweder man hat zu wenig oder zu viel ERD- oder LUFT-Element. Hilfreich ist hier per Auswertung der Elemente-Verteilung herauszufinden, wo die konstitutionellen Dysbalancen liegen und mit einem Lüscher-Farbtest den aktuellen Stand der Elemente-Balance zu erheben. Erst in der Gesamtschau dieser beiden Analysen lässt sich sagen, welches Element gezielt zugeführt oder reduziert werden sollte. Was dann konkret getan wird, liegt im Ermessen des Patienten, wenn ihm LUFT (Freiheit) fehlt oder wird ganz im Gegenteil mit klaren Empfehlungen angeleitet, bei ERD-Mangel (Struktur fehlt).

Das Wesentliche an der Elemente-Balance ist, dass jeder selbst etwas wirksam zu seiner Gesundheit beitragen kann – zur körperlichen und psychischen. Oder einfach nur zum Wohlbefinden. Und dass die Methoden beliebig einfach sein dürfen. Der eine füllt seinen Mangel mit Mineralien auf. Magnesium dient dem ERD-Element, Kalzium der LUFT. Der andere nutzt die Kraft von Farben (Gelb, Weiß oder bunt fürs LUFT-Element) oder Aromen. Zitronige Düfte lüften, holzige oder erdige ätherische Öle tragen zur Unterstützung des ERD-Elements bei.

Welche Umgebungen oder Menschen das jeweilige Element stärken, ergibt sich aus den Eigenarten: LUFT erfahren wir durch unbeschränkte Weite, z.B. durch die Aussicht auf einem Berg, beim Schauen über das weite Meer oder einfach durch Aufreißen der Fenster und Blick in die Ferne. Luftige Menschen bringen uns Toleranz und Verständnis entgegen. Sie sind kommunikativ und an der Erweiterung ihres Weltbilds interessiert. Überhaupt haben sie vielfältige Interessen, mache beschäftigen sich auch mit dem Sinn des Lebens oder fühlen sich mit der geistigen Welt verbunden.

Ein ERDiges Umfeld ist geprägt von klaren Umrissen und Kontrasten. Ein bergiger Wald hilft ERD-Suchern ideal, Halt zu finden. Von ihren ERDigen Freunden brauchen sie Verlässlichkeit und geordnete Verhältnisse. Sie profitieren von langjährigen Verbindungen und geregelten Abläufen. Darüber könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Und genau das habe ich gemacht. Gemeinsam mit dem Begründer der Modernen 4 Elemente Medizin, Dr. med. Peter Vill, habe ich den Ratgeber „Gesundheit gestalten mit den 4 Elementen“ veröffentlicht. Nein, ich verdiene keinen Cent am Verkauf des Buchs. Die Werbung hier dient nur Ihrer Information, wo sie das Thema vertiefen können.

Enneagramm-Typen und ihr Grenzverhalten

Aus Enneagramm-Sicht gilt, dass jeder Mensch unter Stress in ein anderes Typenmuster rutscht als im Normalzustand. Und dass er außerdem in besonders entspannten Zeiten Zugang zu den Haltungen und Verhaltensweisen eines weiteren Typs hat. Man nennt diese vom jeweiligen Normal abweichenden Koordinaten Trostpunkt und Stresspunkt.

In Richtung Trostpunkt entwickeln wir uns, wenn die Persönlichkeit reift.

Typen, die von Natur aus viel ERDE mitbringen, sind der Perfektionist (Enneagrammtyp EINS) und der Boss (Typ ACHT). Ihnen fällt es in der Regel leichter als anderen, ihre eigenen Grenzen zu wahren. Geraten sie aus ihrer Mitte, brauchen sie nur dafür zu sorgen, dass es Ihnen wieder normal gut geht. Und schon klappt die Grenzsetzung erneut mit spielerischer Leichtigkeit.

Typ FÜNF (der Beobachter) und Typ VIER (die Besondere) gehen in die ACHT bzw. EINS, wenn sie ganz entspannt sind. Ihre Grenzsetzung profitiert sehr davon, das ERD-Element bewusst und gezielt stärken.

Am nötigsten haben es die Helfer-Typen (Enneagramm ZWEI), ihre eigenen- und die Grenzen der anderen – wahrzunehmen. Ihnen dienen körperliche und sinnliche Wahrnehmungsübungen wie oben beschrieben. Ihr Entwicklungspunkt ist die VIER, um dorthin zu gelangen, beschäftigen Sie sich endlich einmal mit sich selbst, statt immer nur mit der Sorge um andere. Sie brauchen einen Bruch im bisherigen Weltbild. Denn leider nehmen sie mit großer Selbstverständlichkeit an, sich aufzuopfern sei etwas Gutes.

Selbsthilfe-Methoden

Allen gemeinsam dienen typunabhängige Methoden. Weil ich mich in dieser Welt viele Jahre lang als Lehrerin und Praktizierende bewegt habe, empfehle ich aus tiefer Überzeugung noch heute das Jin Shin Jyutsu. Mit dieser japanischen Heilkunst kann sich jeder effektiv und nebenwirkungsfrei selbst helfen. Der Punkt für die Abgrenzung liegt in der Armbeuge. Man berührt ihn einfach ein paar Minuten lang in angenehm entspannter Haltung. Das nennt man „Strömen“, weil dabei der Engergiefluss gefördert wird. Es gibt keine Überdosis. Strömen Sie den Punkt so oft und so lange Sie wollen. Einseitig oder auf beiden Seiten gleichzeitig. In entsprechenden Situationen oder schon vorbereitend darauf. Die Methode ist so kinderleicht, dass Sie einfach die Arme vor der Brust verschränken können, auch wenn die exakte Stelle nicht ganz genau getroffen wird. Der Punkt weiß dann immer noch, dass er gemeint ist.

Eine weitere narrensichere Behandlungsform, um den gesunden Umgang mit Grenzen zu fördern, sind die Bachblüten – keine Risiken, keine Nebenwirkungen und trotzdem haben sie sich in der gezielten Behandlung von bestimmten Seelenthemen auch in der Psychotherapie sehr bewährt. Centaury (Tausendgüldenkraut) ist die Abgrenzungsblüte. Nehmen Sie sie innerlich ein, pur oder in einer Mischung. Oder geben Sie drei Tropfen aus einer Vorratsflasche in ihre Körperpflege. Auch das Badewasser oder ein Zerstäuber sind gute Verabreichungsformen für diesen wirkmächtigen Grenzunterstützer. Sie können eine „Stockbottle“ für vergleichsweise kleines Geld im Internet oder in der Apotheke erwerben.

Professionelle Hilfe

Wenn Ihre Anfälligkeit für Grenzverletzungen auf biografischen Ereignissen beruht, sind die genannten Methoden hilfreiche Unterstützer. Sich auf sie allein zu verlassen, dazu würde ich nicht raten. Opfer von Missbrauch jeder Art, benötigen darüber hinaus fachkundige Hilfe, wenn sie nicht fortwährend immer wieder an Täter geraten wollen.

Während einem Selbstverteidigungskurs bei der Polizei habe ich als junge Frau gelernt, dass Gewalttäter sich ihre Opfer immer aussuchen. Sie wählen nicht willkürlich irgendwen, sondern jemanden der Schwäche ausstrahlt. Später im Rahmen meiner Ausbildung zur Körperpsychotherapeutin ist mir das Thema erneut begegnet. Die Körperhaltung, der Gang, die Mikromimik verraten einem Täter ganz rasch, wer sich zum Opfer eignet und wer sich dagegen beherzt zur Wehr setzen wird. Die gute Nachricht ist: Das kann man lernen! Niemand ist dazu verdammt, sein Leben lang von anderen ausgenutzt, belästigt oder anderswie geschädigt zu werden.

Verfahren wie Somatic Experiencing ebnen den Weg für ehemalige Opfer, sich aus dieser Rolle dauerhaft zu befreien. Sich nicht alles gefallen zu lassen, klar und deutlich Nein zu sagen. Das sind Übungen, die einigen Menschen leicht fallen, für andere ist es eine Lebensaufgabe.

Grenzsetzung mit der Kraft der Sprache

Meine Wehrhaftigkeit äußert sich in erster Linie sprachlich (MARS in den Zwillingen). Menschen wie mir dienen Verfahren, die sich mit der Struktur und dem Inhalt von Sprache befassen. Änderungen im Sprechen bewirken ein anderes Denken, was sich im Laufe der Zeit automatisch auf die innere Haltung auswirkt. So entsteht ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Bei der Trainerin Mechthild von Scheurl-Defersdorf bin ich auf das Konzept „Kraft der Sprache“ gestoßen. Sie empfiehlt als Trick, zunächst das eindeutitge und erklärungsfreie JA zu üben. Bevor man sich als Übung für Fortgeschrittene dem Neinsagen zuwendet. Ich finde die Vorgehensweise genial!

In der Praxis zeigt sich tatsächlich, dass Menschen nach beiden Seiten Schwierigkeiten haben, klare Ansagen zu machen. Mein Lieblingsbeispiel ist die Reaktion auf das Angebot einer Tasse Tee: Wenn ich ihn haben will, sage ich einfach nur „Ja, danke.“ Ohne weitere Erläuterungen. Täglich höre ich stattdessen Ausschweifungen wie „Wenn es keine Umstände macht. Ich habe heute noch nicht viel getrunken.“ und so weiter und so zu. Das ist vollkommen entbehrlich und schwächt sowohl den Anbieter als auch den Empfänger des Heißgetränks. Probieren Sie einmal aus, wie es sich anfühlt, einfach nur Dank zu äußern und sich auf den Tee zu freuen. Das ist anders.

Schützende Autoritäten einbinden

In manchen Fällen kann es notwendig sein, dass eine höhere Instanz unser Nein unterstreicht. Mir ist das selbst kürzlich passiert, dass ich sowohl die Polizei als auch einen juristischen Fachmann einschalten musste, um einen notorischen Grenzverletzer zu stoppen. Erst dachte ich, wie schlimm, dass mir so etwas widerfährt. Ausgerechnet mir, die in 55 Lebensjahren noch nie eine rechtliche Auseinandersetzung hatte, der ein friedliches Miteinander wichtig ist und die bisher in privaten und dienstlichen Konflikten immer eine einvernehmliche Lösung finden konnte, mit der beide Seiten gut leben.

Mit ein bisschen emotionalen Abstand zu den Ereignissen komme ich zu einer erweiterten Einschätzung:

Für mich ist es heilsam zu erleben, dass ich mich vor der physischen Gewalt und dem Psychoterror von offensichtlich gestörten und im Verhalten bösartigen Menschen wirksam schützen kann. Meine Erfahrungen mit der Polizei waren durchweg positiv. Die Möglichkeiten, die unser Rechtssystem bietet, machen mich zuversichtlich. Ich erlebe nun genau die Sicherheit im Schutz meiner Rechte, die mir als Kind gefehlt hat. Neuropsychologisch gesehen, ist das eine neue Programmierung, die meine traumatischen Erlebnisse ein Stück weit überschreibt.

Auch aus dieser Krise werde ich gestärkt hervorgehen. Das Mehr an Stärke wird mich für alle Zeit weniger attraktiv als Opfer machen 🙂 Insofern lohnt sich der Kraftaufwand langfristig auf jeden Fall.

Erweiterte Sicht auf die Entwicklung

Aus einer spirituellen Warte betrachtet, kann ich dem rücksichtslosen Dauergrenzverletzer dankbar sein. Er ist nicht nur mein Gegner, sondern auch mein Entwicklungshelfer. Wenn er die rechtlichen, räumlichen, akustischen und persönlichen Grenzübertretungen nicht so maßlos übertrieben hätte, hätte ich ihn womöglich noch jahrelang gewähren lassen. Wie ein Frosch, den man ganz langsam erhitzt, ohne dass er es merkt bevor er verkocht. Ich halte es sogar für möglich, dass das Universum mich auf die ein oder andere Weise von diesem Problem komplett befreit, sobald ich meine Lektion gelernt habe: Wie ich mich gegen Grenzüberschreitungen entschlossen zur Wehr setze.

So ein Bewusstseinsprozess ist kein Instant-Produkt. Die obige Übung dreimal zu machen und dann gedanklich mit einem großen grünen Haken zu versehen, bringt wenig. Es braucht Geduld und Ausdauer – wie so oft im Leben. Übung macht den Meister. Wenn es Ihnen schwerfällt, „nein“ zu sagen, dann üben Sie beispielsweise das Jasagen so oft und so lange, bis es Ihnen ganz leicht und natürlich über die Lippen kommt. Mir ist die Sitte unbegreiflich, einen Tanz erlernen zu wollen, indem man tausend Figuren kennenlernt bevor der Grundschritt sicher sitzt. Das führt erfahrungsgemäß zu einem Gefühl der Überforderung. Mancher verliert die Lust daran und lässt es am Ende ganz bleiben.

Nehmen Sie Etappenziele ernst und wichtig. Feiern Sie jeden Schritt. Seien Sie auf Rückschläge gefasst und lassen Sie sich davon nicht entmutigen. Viele kleine Erfolge führen letztlich genauso zum Ziel wie ein großartiger Befreiungsschlag. Wenn man es auf dem langsameren oder stilleren Weg erreicht, fühlt sich der Triumph vielleicht nicht ganz so glorreich an. Aber wen interessiert das schon?!

Text: Petra Weiß
Bild: pexels.com / RDNE

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