Farben sind der Kern jeder Typberatung, ganz gleich welche Schule man vertritt. Die einen gehen davon aus, dass die natürliche Farbharmonie sich durch die Eigenfarben offenbart. Die anderen wählen eine von vier oder 36 Schubladen für das Farbschema einer Person. Als Psychologin und Farbtherapeutin weiß ich, dass Farben weit mehr für uns tun, als die Schönheit der äußeren Erscheinung zu unterstreichen. Diese Zusammenhänge außer Acht zu lassen, führt nicht nur zu einem unbefriedigenden Ergebnis der Beratung, es wird zudem eine wertvolle Chance verschenkt, verborgene Bedürfnisse zu entdecken und sich diese nachhaltig zu erfüllen.
Wollte man jemandem durch eine fachgerechte Farbtypisierung eine geliebte Farbe „wegnehmen“, dann erzeugt das Widerstand – zu Recht!
Meine ausgeprägte Vorliebe für Orange und Kermit-Grün hat bei meiner ersten Farbberatung vor vielen Jahren die Einordnung in den Frühlings-Typ des Saison-Modells anscheinend bestätigt. Ich liebe diese beiden leuchtenden Töne und hatte mir sogar Reisekoffer in den Signalfarben gekauft. Was sich mit der Typisierung überhaupt nicht vereinbaren lies, war mein Bestehen auf Schwarz. Nein, nein: Das ging für den Frühlingstyp leider gar nicht.
Psychologische Eigenschaften
Damals war mir noch nicht klar, dass ich Schwarz als Abgrenzungsfarbe dringend brauchte. In Ermangelung einer besseren Variante, trug ich häufig Schwarz. Ich fand auch allerlei logische Erklärungen dafür. Beispielsweise, dass mir die perfekte Übereinstimmung von Farbtönen wichtig ist. Knapp vorbei ist ganz daneben, lautet einer meiner Grundsätze. Also habe ich nie mehrere ähnliche Blau-Töne oder Grün-Töne miteinander kombiniert. Schwarz ist absolut. Schwarz mit Schwarz passt perfekt.
Figur ist nicht alles
Außerdem macht Schwarz schlank. Glauben auch Sie dieses Märchen? Die meisten Frauen macht Schwarz blass, der Teint wirkt fahl, Falten treten verstärkt zutage. Wenn wir alt und krank aussehen, dient das gar nicht unserer Schönheit. Tricks, um optisch 5 oder 10 Kilo leichter zu erscheinen, gibt es reichlich, z.B. durch figuroptimierte Silhouetten, gefällige Flächenproportionen und durch eine geschickte Blicklenkung. Ich persönlich glaube, dass Frauen von Format mit ihrer Körperfülle dasselbe ausdrücken wie durch ihre Farbwahl: Sie wollen sich abgrenzen, was ihnen durch Worte und Taten weniger gut gelingt.
Varianten der Abgrenzungsfarbe
Das Resultat der Beratung war, dass ich „mein Schwarz“ natürlich weitergetragen habe. Das schlechte Gewissen dabei hätte ich mir sparen können. Auf der seelischen Ebene wäre es damals ein Fehler gewesen, auf diese einfache und effektive Form der Abgrenzungsunterstützung zu verzichten. Heute wüsste ich, wie ich es besser machen kann. Jeder hat nämlich seine ganz eigene Abgrenzungsfarbe. Für mich ist sie ein dunkles Petrol. Auf der energetischen Ebene sind wir mit der individuellen Abgrenzungsfarbe nicht ganz so hermetisch abgeschirmt wie mit Schwarz, was uns erlaubt, freundliche und respektvolle Frequenzen weiterhin durchzulassen. Schwarz isoliert komplett. Wo das gewünscht ist, würde ich Schwarz noch immer flächendeckend einsetzen. Ich kann mir allerdings nicht viele Situationen vorstellen, in denen ich das will.
Bei förmlichen Anlässen bevorzuge ich Petrol. Es ist im Handel gut erhältlich und sogar als Business-Farbe zeitgemäß. Wenn ich mehr Haut zeige, als sonst üblich, wähle ich ebenfalls das dunkle Blau-Grün. Der Ton dämpft die Einladung an die Außenwelt, mir näherzutreten. Nach demselben Prinzip funktioniert das „kleine Schwarze“: Der Schnitt, insbesondere die Saumlänge, signalisiert Nähe, die Farbe rät aber zum Abstandhalten.
Fallbeispiel Rot
Stellen Sie sich stattdessen ein knallrotes Minikleid vor. Hier multipliziert sich die Einladung zum Näherkommen durch die Farbe und den Schnitt. Wenn wir es noch ein bisschen übertreiben wollen, addieren wir transparente Partien oder einen tiefen Ausschnitt. Einer echten Feuerfrau, die auf Aufmerksamkeit aus ist, kommt diese Kombination vielleicht genau recht. Sucht sie gar nach einem erotischen Abenteuer, hat sie auch den nötigen Biss, unwillkommene Avancen entschieden zurückzuweisen. Bei anderen Charakteren wirkt ein solcher Aufzug bestenfalls aufdringlich und schlimmstenfalls vulgär. Insbesondere, wenn der Rotton leuchtender ist, als die Eigenfarben der Lippen.
Biografische Bedeutung einer Farbwahl
Kommen wir zurück zu meiner Schwarz-Sucht. Als äußerst sensibles Menschlein empfinde ich viel Mitgefühl. In meinen jungen Jahren war es mir ausgesprochen unangenehm, wenn ich einen Verehrer enttäuschen musste. Um seine Gefühle nicht zu verletzen, bemühe ich mich, sie gar nicht erst hervorzurufen. Dass ich dabei auch für Männer unsichtbar wurde, die durchaus willkommen gewesen wären, nahm ich in Kauf.
Trotzdem blieben mir zwei Fälle von hartnäckigem Stalking nicht erspart. Danach hat es einige Zeit gedauert, bis ich wieder kurze Röcke getragen habe. Genauer gesagt 15 Jahre. Erst im Rahmen einer Stilberatung wurde mir bewusst, wie die Abwesenheit von Röcken in meiner Garderobe mit meinen früheren Erlebnissen zusammenhing. Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen! Die Abneigung gegen Röcke hatte ich sogar somatisiert: Mein Körper hat schmerzhafte Entzündungen durch reibende Oberschenkel erzeugt. Obwohl meine Beine noch immer so gebaut sind wie damals, ist das Problem nach Auflösen des Traumas kaum mehr vorhanden. Das finde ich bemerkenswert.
Behutsame Veränderung
Meine Saumlänge gibt niemandem das Recht, mich zu belästigen. Aber wenn ich gerade nicht in der Verfassung bin, mich bei Bedarf wirksam zu wehren, muss ich den Übergriff auch nicht provozieren. Schließlich will ich mich nicht (wieder) in einer Opferrolle erleben. Jemanden zu ermutigen, dass er seine optischen Grenzen aufweicht, ohne Bearbeitung des entsprechenden Seelenthemas, halte ich für fahrlässig.
Schritt für Schritt habe ich entdeckt, wie ich meine Weiblichkeit mir gemäß in die Welt stellen kann, wenn ich gleichzeitig meine Wehrhaftigkeit trainiere. Frauen, die in ihrer eigenen oder in der Familienbiografie Grenzüberschreitungen erfahren haben, stellen ihr Licht modisch oft unter den Scheffel. Um nur ja niemanden zu ermutigen, verschmelzen sie lieber mit dem Hintergrund. Oder das Pendel schlägt ins andere Extrem um und sie tragen Kleidung, die so auffällig ist, dass sie ihre Persönlichkeit überstrahlt, statt sie hervorzuheben. Eine gesunde Balance wäre ein lohnenswertes Ziel.
Intuitive Farbtherapie
Was bedeutet das für meine Liaison mit Kermit? Das fröhliche Froschgrün leuchtet weder im Farbfächer des kalten Wintertyps, dem ich später zugeordnet wurde. Noch fügt es sich in meine gedämpfte Eigenfarbpalette. Wieso um alles in der Welt kann ich von dem Ton einfach nicht lassen?
Meine Beschäftigung mit Farblichttherapie brachte eine interessante Erklärung zutage: Gelbgrün ist dem Element Phosphor zugeordnet. Und Phosphor brauche ich als homöopathisches Mittel. Es unterstützt – Überraschung! – unter anderem meine Abgrenzungsfähigkeit 🙂 Da schließt sich der Kreis.
Pragmatische Lösung
Also habe ich gelernt, wie ich die optisch unpassende Farbe in meine Outfits so einbaue, dass ein harmonisches Gesamtbild entsteht. Und natürlich gestalte ich den Bewusstseinsprozess, der sich um das Thema rankt, kreativ mit.
In diesem Sinne schön wirke ich, wenn ich in meiner Kraft bin, mich gut abgegrenzt fühle und so mein Licht zum Strahlen bringen kann, ohne Angst mich zu zeigen.
Mein Verlangen nach Orange hat sich übrigens gelegt, nachdem ich die Trauer um meine Mutter überwunden hatte. Orange dient in der Farbtherapie der Regulation von Niedergeschlagenheit und Antriebsschwäche bis hin zum Auflösen von depressiven Verstimmungen. Die heilsame Wirkung war mir seinerzeit aber noch nicht klar. Die Farbwahl habe ich intuitiv richtig getroffen. Wenig überraschend ist für mich heute, dass sich viele Menschen mit Depressionen von meinem früheren Praxis-Logo angezogen fühlten: Es war eine stilisierte Sonne in Orange.
Eine ganzheitliche Farbberatung, die diesen Namen verdient, schließt psychologische, energetische und therapeutische Betrachtungen mit ein. Sonst bleibt sie unvollständig und wird dem Einzelnen mit seinen Bedürfnissen und aktuellen Entwicklungsschritten nicht gerecht.
Lassen Sie sich bloß nicht einreden, jemand wüsste besser als Sie, welche Farben Sie brauchen. Innere Widerstände wollen gesehen und gewürdigt werden. Und hören Sie nicht auf Berater mit eindimensionaler Sicht. Wenden Sie sich Ihren Farben mit dem Vertrauen zu, dass Vorlieben und Abneigungen immer eine Ursache haben, die es lohnt zu ergründen.
Text: Petra Weiß
Bild: KI-generiert