Helloween – eine Schablone für manipulatives Verhalten

Traumatherapie in der Praxis DELPHI, Weinheim – psychologische Beratung und Psychotherapie (HeilprG) zur Bearbeitung von Glaubenssätzen und Lösen von Verstrickungen

Seit einigen Jahren beobachte ich mit wachsendem Befremden, dass Ende Oktober der Grusel um sich greift. Da werden furchterregende Fratzen in Kürbisse geschnitzt, Gaststätten mit künstlichen Spinnweben geschmückt und Kostüme von Skeletten, Gespenstern und Fledermäusen haben Hochkonjunktur. Ich frage mich schon länger, was das soll.

Wir haben eine Verkleidungstradition an Fastnacht. Prinzessinnen, Superhelden und Clowns ziehen umher. Jeder kann sich in einer Facette seiner Persönlichkeit zeigen, die sonst eher nicht so deutlich zum Ausdruck kommt. Die eine ist anmutig und schön hergerichtet, der andere wirkt ausgesprochen cool oder wieder einer ist besonders witzig. In der Regel strahlen sie Lebensfreude aus und feiern fröhlich.

Ganz anders ist die Atmosphäre an Helloween. Sie ist düster und das soll sie wohl auch sein. Am Höhepunkt des Geschehens laufen Kinder verkleidet als Sensenmann, Dracula oder Werwolf durch die Gassen. „Süßes oder Saures!“ rufen die Kleinen und verlangen Schokolade und Gummibärchen – sonst droht Vergeltung. Und tatsächlich erfolgt sie manchmal. In Heidelberg wurden vor einigen Jahren rohe Eier durch offene Fenster geworfen.

Lustig ist das nicht – so ein Ei auf dem Perserteppich. Eine solche Grenzüberschreitung kann sogar psychisch belastend sein. Da dringt jemand bzw. etwas in unser Zuhause ein, in unseren „Save Room“. Gerade traumatisierte Menschen leiden unter derart rücksichtslosem und bewusst einschüchterndem Verhalten. Und selbst wenn seelisch oder materiell kein größerer Schaden entsteht, soll offensichtlich Druck aufgebaut werden, etwas zum „Verschenken“ im Haus zu haben.

Glaubenssatz mit Folgen

Was für eine Art „Geschenk“ ist das, welches erpresst werden muss? Das soll eine Sitte sein, die wir unseren Kindern beibringen wollen?! Die Botschaft hinter dieser fragwürdigen Aufforderung lautet: Du bekommst, was Du willst, wenn Du dem anderen Angst machst und ihn bedrohst. Ganz ehrlich: Ich bin dagegen, unseren Kindern solche Glaubenssätze in den Kopf zu pflanzen. Bis zum siebten Lebensjahr sind sie übrigens besonders anfällig dafür, derartige Grundideen vom Leben unreflektiert zu verinnerlichen – auch wenn sie schädlich für ihre späteren Beziehungen sind.

Versehen Sie mich nicht falsch. Ich verschenke grundsätzlich gerne etwas. In der Nachbarschaft verteile ich seit Jahren mit Wonne meine gebackenen Eigenkreationen. Diese kleinen Aufmerksamkeiten schaffen auf unkomplizierte Weise ein freundliches Band zwischen den Menschen. Aber mit Druck und Zwang? Nein, danke.

Der Tod als Partyspiel

Im Netz findet man einige Beiträge, die vor Helloween als Feiertag einer randständigen Glaubensgemeinschaft warnen. Von mir aus können die Satansiten ihren Teufel feiern so lange sie wollen.

Wer mich kennt, weiß dass ich prinzipiell jedem seinen Glauben lasse, solange er dem Leben dient. Meine Toleranz ist kein Ausdruck von „political correctness“. Nein, sie hat einen natürlichen Ursprung – sie kommt aus dem Herzen. Daher ist sie eher eine Akzeptanz. Toleranz kann man mit „Ertragen“ übersetzen, Akzeptanz mit „Annahme“. Ich nehme Menschen an wie sie sind. Das heißt nicht, dass ich alles toll finden muss. Ich habe klare Wertvorstellungen. Und andere Menschen dürfen ihre eigenen Werte bevorzugen. Das gilt selbstverständlich auch, wenn sie ein Weltbild haben, das sich von meinem unterscheidet.

Doch wenn unter dem Deckmantel einer lustigen Party der Tod verehrt und dem Bösen gehuldigt wird, erlebe ich das als Verspotten der tiefgreifenden spirituellen Erfahrungen. Dagegen grenze ich mich klar und deutlich ab.

Mit Leben und Sterben habe ich mich schon früh intensiv auseinandergesetzt. Der Tod war Teil meines Lebens als ich noch im Grundschulalter war. Damit musste ich klarkommen. Das war kein Spaß. Überhaupt nicht. In den 1970er Jahren war es noch nicht üblich, dass Kinder psychologische Unterstützung erhalten, wenn ein Geschwister gewaltsam stirbt. Die ganze Familie hätte eine Traumatherapie gebraucht.

Sterben ist ein Tabu-Thema

Durch diese Vorerfahrung habe ich einen persönlichen Bezug zu den Grenzbereichen unseres Lebens. Der Punkt des Eintritts in den Körper und der Punkt des Austritts aus dem Körper sind wissenschaftliche Felder, die mich schon als Teenager beschäftigt haben.

Mit Nahtodforschung habe ich mich als Erwachsene ausführlich befasst. Als Traumatherapeutin habe ich mehrere Menschen begleitet, die solche Erlebnisse zu verkraften hatten. Leicht ist das meist nicht für die Betroffenen. Sogar Psychotherapeuten haben oft Berührungsängste mit diesen Themen. Viele tun sich schwer, solchen Patienten mit Verständnis und Mitgefühl zu begegnen. Das ist verständlich. Aber nicht hilfreich.

In unserer Gesellschaft pflegen wir das ganze Jahr über ein felsenfestes Tabu gegenüber dem Tod. Wir tun so, als könne man bei entsprechender Lebensführung ewig auf Erden wandeln. Und wenn dann doch jemand stirbt, sind wir schockiert. Es scheint völlig außerhalb unserer Vorstellung zu liegen, dass Menschen kommen und gehen. Geschweige denn wir müssten uns mit unserer eigenen Endlichkeit auseinandersetzen.

Nein, wir kleiden lieber unsere Kleinsten einmal im Jahr in hässliche Gewänder und lassen sie als Teufel, Zombies und Schwarzmagier durch die Straßen laufen. Was für eine Beziehung zu Tod und Sterben wird da etabliert? Und wollen wir das?

Die Kraft von Ritualen

Rituale und Traditionen haben Kraft. Sie kennen das im Alltag, wenn Sie sich eine neue Gewohnheit aneignen wollen. Mit der Wiederholung der immer gleichen Abläufe fällt es zunehmend leichter. Wir füttern durch ritualisierte Vorgänge beständig dieselbe Information ins Morphogenetische Feld. Jeder, der sich an einem Ritual beteiligt, verbindet sich mit dem entsprechenden Feld und stärkt es.

Wollen wir mit dem Feld von Angst und Schrecken verbunden sein? Einige scheinbar schon. Es gibt ja auch Leute, die freiwillig Horror-Filme anschauen. Sie schwingen offensichtlich auf einer anderen Frequenz als unsereiner. Wir orientieren uns lieber nach dem Licht. So wie es religionsübergreifend in vielen Kulturen üblich ist. Und zwar ohne zu vergessen, dass es auch das Gegenteil gibt.

Das Böse ist real. Es fügt absichtlich Schaden zu, ist zerstörerisch und kennt keine Transzendenz. Das bedeutet, der Mensch hält sich selbst für das Höchste. Für ihn gibt es keine höhere Ebene, an der er sich orientiert – wie Gott oder die Natur oder allgemeiner: eine geistige Welt.

Wie uns der pathologische Narzissmus anschaulich zeigt, ist die „Ich, ich, ich!“-Haltung eine Einflugschneise für allerlei Abgründiges. In Verbund mit dem Hochmut finden wir Neid, Zorn und andere Schattenseiten des Menschseins.

Das wirklich schlimme am Bösen: Man gewöhnt sich daran. Wenn jemand aus Schwäche oder aus Boshaftigkeit böse handelt, wird es ihm immer leichter fallen, je öfter er es tut. Und die Entscheidung für das Gute wird schwieriger.

Kopf-Herz-Bauch

Der Wiener Psychiater und Psychotherapeut Dr. Raphael Bonelli hat das Konzept der Kopf-Herz-Bauch-Psychologie entwickelt. Demnach treffen wir Entscheidungen aus dem Herzen heraus nach unseren Werten. Der Kopf prüft, ob die zugrundeliegenden Informationen überhaupt stimmen und ob der Beschluss vernünftig ist. Und der Bauch spürt, ob etwas Lust oder Unlust erzeugt.

Dr. Bonelli meint, wir können unsere Bauchgefühle trainieren, so dass es sich gut anfühlt, Gutes zu tun. Damit meine ich nicht die aufgesetzte Schein-Güte der Gutmenschen, die nach Applaus sucht und deshalb in die Welt strahlt. Sondern die stille Güte, die aus sich selbst heraus leuchtet. Sie resultiert im Befolgen der eigenen inneren Maßstäbe, der intrinsischen Werte.

„Das Wahre, Gute und Schöne“ sind nützliche Prüfsteine in dem Prozess. Und zwar genau in dieser Reihenfolge. Wenn eine Entscheidung anhand falscher Informationen fällt, dann ist es vollkommen gleichgültig, ob sie moralisch hochstehend erscheint oder sich angenehm anfühlt – dann ist sie einfach falsch. Und wenn eine Handlung nicht unseren Werten entspricht, dann kann sie sich zunächst noch so wohlig anfühlen, wir werden über Kurz oder Lang Gewissensbisse bekommen.

Das Gute pflegen – das ECHTE Gute

Pflegen wir also das wahrhaft Gute, dann schützen wir uns vor „den Dämonen“, und seien sie nur destruktive Gedanken und Ideen, die uns oder unseren Mitmenschen schaden. Wenn Sie sich an den Begriffen stören, weil Sie sie aus dem Religionsunterricht kennen, versuchen Sie bitte, diese von Ihrem früheren Empfindungen zu trennen.

Nein, ich gehöre keiner Religion an. Ich gebrauche solche Ausdrücke, wie „Versuchung“, weil damit in unserer christlich geprägten Kultur klar ist, was ich meine. In Sachen Gut und Böse hat die Kirche ein paar brauchbare Modelle, die sich über die Jahrhunderte bewährt haben.

Was uns in Versuchung führt, sind immer noch die alten Leidenschaften, auch wenn wir sie heute teilweise anders bezeichnen: Habgier, Neid, Hochmut (Narzissmus), Völlerei (Konsumwahn), Trägheit (Faulheit), Wollust (sexuelle Ausschweifungen und Perversionen), Zorn (nicht die normale Wut!) – Frönen wir ihrer, werden sie zu Lastern, also schlechten Angewohnheiten.

Die Filmfigur Forest Gump entgegnete auf die Frage, ob er dumm sei: „Dumm ist, wer dummes tut.“ Man kann hingegen nicht sagen: Böse ist, wer Böses tut. Die Bewertung eines Menschen darf man nicht mit der Beurteilung seines Verhaltens verwechseln. Ich glaube ohnehin nicht, dass es einen durch und durch bösen Menschen gibt.

Spirituelle Betrachtung

In jedem noch so verschrobenen Charakter ruht ein spiritueller Funke, eine Verbindung zu seinem höheren Selbst in der Geistigen Welt. Niemand ist dazu verdammt, „in der Hölle zu schmoren bis zum Jüngsten Tag“. In meinem persönlichen Weltbild ist „die Hölle“ kein Ort in der Unterwelt mit Schwefel und qualvollen Schreien, sondern eher ein Platz in unserem eigenen Herzen, der uns seelische Qualen bereiten kann, wenn wir nicht unseren eigenen Werten gefolgt sind, wenn wir Schaden verursacht oder erlitten haben.

Nehmen Sie die Bilder nicht wörtlich, sondern als Symbole. Böses – im Sinne von „nicht gut“ – gibt es ganz ohne Teufel und Fegefeuer: Empathielose Menschen, die sich von der Menschlichkeit abkehren, die Freude daran haben, jemandem Angst einzujagen, die besoffen sind von der Macht, die ihnen die Ohnmacht eines anderen beschert. Ein kurzer Rausch mit Kater. Aber leider auch mit Suchtpotenzial.

Macht macht süchtig

Psychologen untersuchen ja so ziemlich alles. Es gibt auch tatsächlich eine Studie über die Dopamin-Ausschüttung (Belohnungs-Hormon) bei Führungskräften und die Auswirkung der körpereigenen Droge auf die Aussicht, eine Machtposition wieder abgeben zu müssen. Das Ergebnis war erschütternd: Macht macht auf Dauer immer süchtig. Und wie sich ein Drogenabhängiger auf Entzug verhält, ist ja bekannt.

In einem Seminar zum Thema Grenzsetzung habe ich an einer Übung teilgenommen: Ich sollte bewusst die von einer anderen Teilnehmerin gelegte sichtbare Linie überschreiten. Alles in mir sträubte sich. Normalerweise bin ich ausgesprochen grenzsensibel und achte stets darauf, meinen Mitmenschen nicht zu nahe zu treten. Hier war es Teil des Ausbildungsprogramms. Und was soll ich Ihnen sagen: Es fühlte sich nach anfänglichem Zögern GROSSARTIG an. So ist Macht. Wer hier in jungen Jahren Blut leckt, wird es sich später nur noch schwer wieder abgewöhnen können, andere zu drangsalieren, zu mobben und kleinzuhalten.

 

Mein Mann und ich lassen am 31. Oktober die Rollläden herunter und stellen die Türglocke ab. Und Sie wägen bitte ab, wie Sie das alljährliche Ereignis in das Selbst- und Weltbild Ihres Kindes einbetten wollen. Starke Persönlichkeiten müssen andere nicht durch Einschüchterung oder Angsterzeugung manipulieren. Sie können für ihre Wünsche und Bedürfnisse einstehen, sagen was sie wollen, und gelangen durch ehrlichen Fleiß und Freundlichkeit ans Ziel.

 

Text: Petra Weiß
Bild: Charles Parker / pexels.com

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